Oskar Maria Graf

Donnerstag, 28. Januar 2016

Oskar im Bayerischen

Vielleicht ist es die letzte Gelegenheit, diesen Film zu sehen: denn die Sendereihe LIDO im Bayerischen Fernsehen, in der heute um 22.30 Uhr ein älteres Portrait über Oskar Maria Graf zu sehen ist, wird ab März eingestellt. In der Sendung sind auch Ausschnitte aus QUH-Blog-Lesern altbekannten Schwarzweiß-Aufnahmen vom Besuch Oskars in Berg zu sehen, außerdem Interviews, die mit seiner Frau Gisela nach seinem Tod in New York geführt wurden.


"Ich möchte gleich sagen, dass ich mich niemals als Emigrant empfunden hab, weil ich ein deutscher Schriftsteller bin, und die deutsche Sprache absolut meine Heimat ist." Oskar Maria Graf in seiner New Yorker Wohnung beim BR-Interview

Eine andere Spache hat Oskar - wie er in dem Film verrät - auch im jahrzehntelangen Exil nie lernen wollen. Seine Begründung: dazu sei er "viel zu blöd". Auch wenn der Film "Dahoam in Amerika" ein paar schwülstige Blenden und schöne Landschaftsbilder zu viel besitzt: Für Berger ist der Film von Klaus Ickert schon wegen der Orginalfilmaufnahmen von Oskar und den alten Interviews mit Zeitzeugen ein "Muss".


Gisela Graf, Oskars letzte Ehefrau, erinnert sich

Die im Film nur ausschnittweise vorkommenden Aufnahmen von Oskars Besuch in Berg von 1964 finden sich vollständig hier im Blog rechts unter QUH-Tube / Oskar Maria Graf) oder unter:
https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=x9EeGKQvMwg

Der Film ist in der BR-Mediathek abrufbar:
http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/programmkalender/sendung-1161126.html

Zur Internetseite der BR-Sendung geht es hier:
http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/lido/oskar-maria-graf-144.html

Freitag, 28. August 2015

Zu Besuch bei Oskar Maria Graf in New York

Zu einer nicht allzu lang vergangenen Zeit konnte man froh sein, wenn man es schaffte, Deutschland als Flüchtling zu verlassen … und in einem fernen Land Zuflucht zu finden, dessen Sprache und Gebräuche man nicht versteht.

So geschehen mit Oskar Maria Graf, der im Juli 1938 auf seiner Flucht in New York ankommt. Er läßt sich in einem Viertel nördlich der 193. Straße an der Grenze zur Bronx nieder, in dem damals vor allem Iren und Exil-Juden lebten. Oskars Adresse: 34 Hillside Avenue.


Beginn der Suche im Archiv der Gemeinde Berg: Brief des Berger Bürgermeisters von 1954 an Oskars Adresse

Noch heute, 77 Jahre nach Oskars Ankunft, kann man sich in New York auf die Suche nach dem Flüchtling begeben.


Die Adresse aus dem Berger Archiv in New York ins Navi eingeben: Bitte einmal zu Oskar

Durch die Bronx hindurch gelangt man vom Navi geführt in ein wenig glamoröses, hauptsächlich von Auswandern aus der Dominikanischen Republik bewohntes Viertel. Es ist das nördlichste Viertel der Insel Manhattan und von mehreren Parkanlagen (darunter auch die prächtigen "Cloisters") umgeben.


Ist er hier in der Lederhose entlanggegangen? - Durch die Bronx zu Oskar

Bei einem mächtigen Postamt, in dem wahrscheinlich damals schon Oskar seine Briefe nach Deutschland aufgegeben haben dürfte, biegt man nach links ab, hinauf in die schmale Einbahnstraße Hillside Avenue.


US-Postamt: Oskars Verbindungs-Station zur Heimat

Oben an einem kleinen Hügel (Hillside!), gegenüber eines Parkes: das 1928 erbaute Brownstone-House, in dem Oskar Maria Graf im Exil bis zu seinem Tod gelebt hat. Es existiert heute noch fast unverändert.


Am Ziel: 34 Hillside Ave, 10040 New York / Inwood

Auf 6 Stockwerken finden sich in dem sachlich schmucklosen Haus, in dem Oskar fast 30 Jahre lebte, 185 unterschiedlich große Appartements.


Keine Gedenktafel verrät, das hinter diesen Türen Weltliteratur ("Das Leben meiner Mutter") entstanden ist

Im Inneren des Hauses sieht es für amerikanische Verhältnisse recht sauber aus. 1980 wurde das Gebäude letztmals renoviert. Im Winter 2015 fiel trotzdem länger die Heizung und das warme Wasser im gesamten Gebäude aus.


Man trifft sich auch im Treppenhaus; der Kamin aber ist nur noch Zier

Die Miete für eine 2-Zimmer-Wohnung ist für New York hier immer noch recht günstig und beträgt zur Zeit 1725$.


Irgendwo hier hat Oskar Maria über Berg geschrieben

Oskars Viertel, obwohl neben der Bronx gelegen, hat nur wenig mit dem New York zu tun, das wir in unseren Köpfen haben und das ein paar Straßen weiter wieder anfängt:


Ein paar Straßen weiter: Blick von der "Hillside" nach Downtown Manhattan

Dienstag, 3. Februar 2015

Die beste Art sich Oskar Maria Graf zu nähern

Heute treffen sich im Münchner "Fraunhofer" die Mitglieder der Oskar Maria Graf Gesellschaft (19h). Gäste sind natürlich willkommen. Eigentlich nicht unbedingt schon eine Meldung für den QUH-Blog wert, aber immerhin Anlass genug, all jenen die sich fragen, wer und wie denn dieser Oskar Maria Graf so war, eine Lektüreempfehlung zu geben:



Im Münchner Allitera Verlag, der sich aktuell um Grafs Werk kümmert, ist ein schmaler Band von Petra Wucher erschienen, der "Ich dichtete und lief in der Revolution herum" benannt ist und im Untertitel "Oskar Maria Grafs Münchner Jahre" betitelt ist. Der Untertitel ist eine kleine Untertreibung: Zwar eignet sich der Band wunderbar dazu, mit ihm in der Hand Oskars Wohn- und Wirkungsstätten in der Schwabinger Bohéme nachzugehen, aber man bekommt auch sonst so viel Details aus Oskars Leben präsentiert, dass das Büchlein als beste kürzere Einführung in Oskars gesamtes Werk und Wirken zählen kann.


Trouvaille aus dem empfohlenen Band: der höhnische Artikel mit dem die Nazis auf Oskar Maria Grafs Aufruf "Verbrennt mich!" reagierten

Der Band ist für äußerst wohlfeile 9,90€ über die Berger Buchhandlung "Schöner Lesen" zu beziehen. Alles was die QUH über Oskar Maria Graf weiß, könne sie nachsehen unter: http://quh.twoday.net/topics/Oskar+Maria+Graf/ … den Artikel über Oskars Sicht auf die Revolution beispielsweise hier: http://quh.twoday.net/stories/534901257/ . Die Termine der Oskar-Maria-Graf-Gesellschaft unter http://www.oskarmariagraf.de/veranstaltungen.html . Und wie Oskars Münchner Schreibmaschine aussah, entnehmen wir selbst obigem Buch ... nämlich genau so:

Donnerstag, 22. Januar 2015

Donnerstag ist Oskartag

Neben Lokalpolitik und Veranstaltungen gehört ein Hauptaugenmerk des QUH-Blogs der lokalen Kultur, insbesondere den Berger Künstlern, insbesondere dem König unter diesen: Oskar Graf. - Dieser hat sich zeitlebens als Teil des von ihm selbst geschaffenen Kunstwerkes "Oskar Maria Graf" gesehen. Abzulesen ist das auch an den Titelbildern seiner Erstausgaben, die auffallend oft des Dichters Antlitz zeigen: eine kleine Biographie von OMG anhand einiger Titelblätter seiner Erstausgaben.



Gleich mit seinem ersten Gedichtband "Die Revolutionäre" (1918) ist der damals erst 23 jährige Bäckerssohn aus Berg mit einem expressionistischen Holzschnitt auf dem Umschlag an der Spitze der internationalen künstlerischen Entwicklung angelangt. / Fünf Jahre später, 1922, ziert zum ersten Mal das Antlitz des Schriftstellers sein Buch: "Frühzeit", ein Werk in dem Graf sein wichtigstes Thema, sein eigenes Leben, entdeckte. Oskar gibt sich auf dem Bild flegelhaft, aber selbstbewußt. Um ihn der Weltenbrand.



Erneut traut sich Oskar bei "Wunderbare Menschen" (1927), der Schilderung seiner Arbeit an der Münchner Arbeiterbühne wieder aufs Cover: ein neuer Mensch sie3ht uns an. Erstmals als Mitglied der Münchner Boheme, mit dünner Krawatte, aber strengem Blick. / Welch Unterschied weitere fünf Jahre später im "Notizbuch des Provinzschriftstellers Oskar Maria Graf": Provinz statt Sozialismus. Design und Inhalt gleiten etwas in Folkloristische ab. Der Dichter muß Geld verdienen. Der Anzug weicht dem Sepperlhut. Oskar beginnt seine Selbststilisierung als ungehobelter Flegel vom Land. Unten ist eine Kirche an einem idyllischen See zu erkennen.



Auch die "Dorfbanditen" (1932) zeigen ein nicht unbedingt positives Portrait des Autors: der Dichter etwas feist und körperlos, unsicher zwischen Moderne und Idylle, Boheme und Provinz schwankend. / Wenig verwunderlich: Nach dem Aufruf "Verbrennt mich!" und der Flucht ins Exil verschwindet Graf von den Titelbildern seiner Bücher: hier "Der Abgrund" (1936)



Exil: Grafs Lebenswerk "Das Leben meiner Mutter" erscheint 1940 zuerst auf Englisch, erst 6 Jahre später auf Deutsch. Das Titelbild ein nichtssagendes Aquarell eines gesichtslosen Dorfes: Man sollte nie ein Buch nach seinem Einband beurteilen (die deutsche Erstausgabe dieses Wunderbuches 1946 hat - es waren magere Zeiten - gar keinen Umschlag).



Erst 1959 wagt sich Graf wieder nach Deutschland und zugleich sich selbst wieder auf den Umschlag eines Buches: "Die Erben des Untergangs" mit einem staatsmännischen, in s/w gehaltenen und um Souveränität bemühten Exildichter. / Unser Lieblingscover für alle Zeiten bleibt natürlich "Die Chronik von Flechting" (1925), der "Dorfroman" über Berg: Nicht mit Oskar, aber mit einer prophetischen QUH auf dem Titelbild.

Mehr Graf-Erstausgaben finden Sie auf der Seite der Oskar-Maria-Graf-Gesellschaft: http://www.oskarmariagraf.de/werk-ausgaben.html

Sonntag, 11. Januar 2015

Oskar ist Charlie

Mit einer kleinen, stillen Installation hat Sissi Fuchsenberger von der SPD die örtliche Betroffenheit angesichts der französischen Terrorakte gegen die Freiheit des Denkens ausgedrückt:



QUH-Karikaturist Volker Cornelius äußert sich - von dunklen Schatten bedroht - naturgemäß per Bleistift:

Freitag, 26. Dezember 2014

Auf den letzten Drücker


Weiße Weihnacht mit Westwind (Photo Dazze Kammerl)

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Ein Berger unter Palmen

Einer lange vergriffenen Biographie zum Thema "Ein Bayer in Amerika" entnehmen wir das folgende, seltene Photo eines jankerlosen und glücklichen Oskar Maria Graf unter Palmen.


Ohne Janker mit Radl unter Palmen: Oskar Maria Graf glücklich im Exil (Photograph unbekannt)

Wenn wir für die Veröffentlichung solcher Trouvallien unseres Dorfheiligen einen Vorwand bräuchten, so wäre das die Lesung heute, Mittwoch 19 Uhr, von Ulrike Roder aus "Das Leben meiner Mutter" in der Kapelle der Starnberger Klinik. Die musikalische Untermalung für die literarischen Szenen besorgt die Aurikel-Saitenmusik; der Eintritt ist frei. Die Vortragende zeigt obendrein Bilder der Originalschauplätze, die unserein natürlich geläufig sein dürften.

Mittwoch, 24. September 2014

Morgen: Oskar Maria Grafs Rückkehr nach Berg

Heute, Donnerstag, findet in Berg im Katharina von Bora Haus (um 19.30) eine einzigartige Lesung statt.

Als Oskar Maria Graf, der stets behauptete, Hitler aus Schwabinger Künstlerkreisen persönlich gekannt zu haben, 1933 nicht unter den verbrannten Dichtern war, schrieb er seinen legendären Artikel "Verbrennt mich!": "Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er wird unauslöschlich sein wie eure Schmach!" -
Münchner Studenten beherzigten den Wunsch umgehend im Innenhof der Münchner Universität. Von einem Faschingsball kommend war Oskar Maria Graf am 24.2.1933 da schon zuerst nach Wien und dann in das tschechische Brünn geflüchtet, wo das nebenstehende Photo entstand. 1938 musste Graf weiter nach New York ins Exil.
Es sollte 20 Jahre dauern, bis Graf 1958 zum ersten Mal wieder einen Fuß auf deutschen Boden setzen konnte. Zuerst brauchte er ein "Re-Entry-Permit" von den USA-Behörden und die amerikanische Staatsbürgerschaft. Für einen bekennenden Linken dauerte das nach Kriegsende noch 13 Jahre. Tagelang war Graf verhört worden. Erst 1958 konnte er anlässlich der 800-Jahr-Feier der Stadt München erstmals seine Heimat besuchen. Photos von seiner Ankunft am Flughafen München Riem zeigen, dass der Dichter sich in den 20 Jahren weder eine neue Hose noch einen neuen Janker hat leisten können.


20 Jahre später: "The same old Janker" - Der Bayerische Rundfunk interviewt OM Graf bei seiner Ankunft in München

Bekanntermaßen wurde der Besuch zu einem Desaster. Es gab keinen Empfang am Flughafen; Graf wurde aus dem Cuvilliés-Theater gebuht, weil er in seiner Krachledernen zur Lesung erschien; seine Veröffentlichungen in der DDR machten ihn verdächtig; in der Heimatgemeinde beäugte man ihn weiterhin kritisch als Nestbeschmutzer.


Grafs Wohnsitz "34 Hillside Avenue" in Upper New York heute. In dem Block mit 186 Appartements kostet eine 2 Zimmerwohnung derzeit ca. 1650 Dollar

Dass Graf überhaupt aus New York nach Deutschland kam, war Ergebnis einiger Intrigen, an denen auch die Berger Gemeindeverwaltung beteiligt war. QUH-Chef Andreas Ammer ist ihnen im Berger Archiv nachgegangen und hat dabei unveröffentlichte Briefe von Graf und die entsprechenden Antworten der Gemeinde an den Weltdichter aufgespürt.

Und dies ist die Schreibmaschine, Modell Smith Corona, mit der Graf in New York sowohl Weltliteratur wie "Das Leben meiner Mutter" als auch Briefe in die Heimat schrieb.
Auch Brigitte Reihl aus Berg, Erbin des "Schatzlbauern" Paul Huber, hat unveröffentlichte, auf dieser Schreibmaschine geschriebene Briefe gefunden, die dieser in den 50erjahren in die Heimat schickte: Hatte er Sehnsucht nach dem Dorf, aus dem er buchstäblich hinausgeprügelt worden war?

Zusammen werden Brigitte Reihl und Andreas Ammer morgen abend aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums des evangelischen Gemeindezentrums aus diesen unveröffentlichten Briefen lesen. Sie werden dabei der ungelösten Frage nachgehen, ob Graf jemals plante, länger oder gar ganz in seine Heimat Berg zurückzukehren und was ihn mit dem Bürgermeister hier verband.

Aus dem QUH-Blog bereits bekannt ist die rätselhafte Freundschaft Oskar Maria Grafs mit dem Berger Bürgermeister Willy Gastl, der dem Dichter zum 70 Geburtstag in Berg (in Beisein des stellvertretenden Bürgermeisters Paul Huber) ein "Ehrentellerl" überreichte.


Weltdichter und Provinzbürgermeister (oder umgekehrt?)

Nur gerüchteweise war zu vernehmen, dass die - derzeit selbst im Exil sich befindende - "Brauerei Schloss Berg", die die Ehre hat, in "Das Leben meiner Mutter" vorzukommen, in Anerkennung von Grafs Lieblingsspruch "Das Bier ist gut hier!" den Zuhörern einen Kasten "eigenen Gebräus" spendieren wird.

Montag, 21. Juli 2014

120 Jahre "Provinzschriftsteller" Oskar Maria Graf


Morgen hat er Geburtstag: "Oskar Maria Graf im Kreis seiner New Yorker Stammtischfreunde" (zeitgenössischer Zeitungsausriss)

Natürlich ist die Gemeindeverwaltung nicht selbst darauf gekommen! Es bedurfte schon des Anstoßes aus Amerika, damit Bürgermeister Gastl auf die Idee kam, 1954 dem berühmtesten Sohn der Gemeinde, Oskar Maria Graf, zum 60. Geburtstag am 22. Juli zu gratulieren. Denn erstens war Graf in der Gemeinde eher der "Nestbeschmutzer" als ein Heimatdichter; zum zweiten bekanntermaßen eher Kommunist als Christsozialist; zum dritten hatte er mit seinem berühmten Spruch "Verbrennt mich!" doch sehr vehement gegen die in Berg fest im Sattel sitzenden Nazis gewettert; zum vierten hatte Graf aus all diesen Gründen 20 Jahre nichts mit Berg zu tun gehabt.


"Gratuliert ihm!" - Brief aus New York an die "Buergermeisterei Berg" (zum Vergrößern anklicken)

Am 13. Juli 1954 ging jedenfalls in der Gemeinde Berg ein Brief des deutschstämmigen, im Exil lebenden Autors Friedrich Sally Grosshut ein, dessen Eltern von den Nazis umgebracht worden waren. In einem für die damalige Zeit ungewöhnlichen Versöhnungsakt schrieb er unbekannterweise dem Berger Bürgermeister und erlaubte sich "Sie und ihre Stadt freundlichst darauf aufmerksam zu machen, dass der beruehmte Sohn Ihrer Stadt, Oskar Maria Graf, am 22. Juli dieses Jahres 60 Jahre alt wird." Bürgermeister Gastl, der Graf - nach 20 jähriger Abwesenheit - noch persönlich kannte, reagierte umgehend:


Bürgermeister Willi Gastl schrieb - gleich per Luftpost, denn die Zeit drängte - an den verlorenen Gemeindesohn Oskar Maria Graf:

"Lieber Herr Graf,

Als Vertreter Ihrer Heimatgemeinde möchte ich Ihnen zur Vollendung Ihres 60. Lebensjahres die herzlichsten Glückwünsche der ganzen Gemeinde übermitteln.

Möge Ihnen besonders Ihre Gesundheit und Ihre bisherige Schaffenskraft noch recht lange erhalten bleiben, eine Schaffenskraft, die in zahlreichen Werken den Namen Berg und die nähere und weitere Umgebung des Starnberger Sees sowie seine Menschen in so sympathischer Weise im In- und Ausland bekannt gemacht hat. Nicht jedes Gemeinwesen hat das Glück, daß eine Generation ihrer Einwohner und ihre Entwicklung in einer so lebendigen Art und Weise, mit den Augen eines Dichters gesehen, den Zeitgenossen dargestellt und der Nachwelt überliefert wird.

Umso mehr bedauern wir, daß es Ihnen in den letzten 20 Jahren nicht mehr möglich war, Ihre Heimat aufzusuchen, die Ihnen für Ihre Werke so sehr zu Dank verplichtet ist.

Mit herzlichsten Grüßen Ihr W. Gastl Bürgermeister"



60 Jahre her: Glückwünsche aus Berg zum Geburtstag (zum Vergrößern Bild anklicken)

Sicherlich war es reichlich übertrieben, Glückwünsche der "ganzen" Gemeinde zu übermitteln. Denn viele Berger Bürger nahmen immer noch Anstoß an der allzu "lebendigen Art", mit der ihre Machenschaften und menschlichen Unzulänglichkeiten zur Weltliteratur geworden waren. Trotzdem freute sich Oskar Maria Graf offensichtlich. Er antwortete gerührt von der Überraschung in einem Schreiben in die "USZone 13 B":


Originalbrief von Oskar Maria Graf (aus dem Archiv der Gemeinde Berg; zum besseren Lesen Bild anklicken)

"Lieber, geschaetzter Herr Buergermeister Gastl!

Dass meine Heimatgemeinde meines 60sten Geburtsags in so schoenen Worten gedacht hat, hat mich besonders gefreut. Es spricht aus dem Brief viel liebende Einsicht, dass ich mit meinen schwachen Kraeften doch stets bemueht war, die Landschaft und die Menschen meiner Heimat so wahrhaftig und echt darzustellen, dass auch andere diese Überzeugung gewinnen. Was kann einem Schriftsteller besseres geschehen?

Ich wuensche und hoffe nur, dass ich Berg und Bayern doch noch einmal wiedersehe und bitte Sie, alle, die mich dort noch kennen und jene, die meine Buecher dort lesen, herzlich zu gruessen.

Ihr sehr ergebener … Oskar Maria Graf
"

Auch wenn aus diesen Zeilen nicht ganz klar wird, welche Überzeugung wer gewinnen soll … es sollte noch weitere 4 Jahre dauern, bis Oskar Maria Graf - wieder durch Vermittlung von F. S. Grosshut - zur 800-Jahr-Feier der Stadt München bayerischen Boden betreten sollte … und dann bei einer Lesung im Cuvilliéstheater regelrecht ausgepfiffen wurde. Dies aber ist eine andere Geschichte. Bei einer Lesung von weiteren unveröffentlichten Oskar-Maria-Graf-Briefen an Berger Adressen wird sie am 25. September im Katharina-von-Bora-Haus in Berg erzählt werden.

Wie die Geburtstagsfeier von OMG in New York ablief, schildert ein weiterer Brief von Grosshut am 29. August 1954: "Wir waren bei ihm in New York zu seiner Geburtstagsfeier. Sie verlief sehr ansprechend."

Die Beziehung von Willi Gastl zu Oskar Maria Graf wurde im Blog bereits hier erzählt: http://quh.twoday.net/stories/die-geschichte-vom-ehrentellerl-fuer-oskar-maria-graf/ Dort findet sich auch das einzige filmische Dokument von Grafs späterem Besuch in Berg.

Während es aber zum 125. Todestag von King Lui in Berg tagelange Festivitäten gab, bleibt 60 Jahre nach Gastls mutigem Brief dieser Artikel wohl die einzige Form des Gedenkens an den größten Sohn der Gemeinde zu dessen 120. Geburtstag. Die QUH verneigt sich in tiefer Verehrung.

Im Münchner Volkstheater gab es immerhin ebenfalls eine Lesung aus unveröffentlichten Graf-Briefen. https://www.muenchner-volkstheater.de/spielplan/gastspiele/oskar-maria-graf Morgen trifft sich die Graf-Gesellschaft im Münchner Literaturhaus zur Geburtstagsfeier. Berger Gemeinderäte werden nicht dabei sein: die beraten morgen stattdessen über Bauanträge in 3 stöckiger Höhe. Ein Brief aus Amerika kam offenbar auch nicht.

Freitag, 20. Dezember 2013

Die Geschichte vom "Ehrentellerl" für Oskar Maria Graf

Es ist ein kleiner Sensationsfund: das von der QUH aufgespürte Film-Dokument, in dem der Bürgermeister von Berg 1964 Oskar Maria Graf "im Auftrag des Gemeinderates" im Biergarten der "Berger Stuben" ein "Ehrentellerl" überreicht. Graf, auf Besuch aus dem New Yorker Exil, trifft währenddessen in Berg alte Schulfreunde und schimpft auf die alten "Feinde" aus Unterberg.


BGM Wilhelm Gastl überreicht im Auftrag des Gemeinderates ein "Ehrentellerl" an Oskar Maria Graf (Bild anklicken)

Wie kam es zur Überreichung dieses "Ehrentellerls"? - Nun: Der Berger Bürgermeister Willi Gastl war nicht von selbst darauf gekommen, aber gut beraten: IMG_0657 10 Jahre zuvor, zum 60. Geburtstag von Oskar Maria Graf, hatte ihn 1954 ein emigrierter Intellektueller namens Grosshut darauf hingewiesen, dass ein gewisser Oskar Maria Graf, ein berühmter Sohn der Gemeinde, in New York seinen 60. Geburtstag feiern würde. Da sei es für einen Bürgermeister doch ganz angemessen, diesem zu gratulieren. BGM Wilhelm Gastl ging per Luftpost ans Werk und gratulierte. Er vermittelte auch 1958 einen Besuch Grafs zur 800-Jahr Feier der Stadt München bei OB Joachim Vogel. Der Besuch endete in einem Desaster, weil Oskar zur Lesung im barocken Cuvilliestheater in der Lederhose erschien und damit Tumulte auslöste. Aber Oskar Maria Graf, der 1933 mit dem innigen Wunsch "Verbrennt mich!" den Nazis getrotzt hatte und nach New York ausgewandert war, war zumindest zu seinem ersten von drei Besuchen in seiner alten Heimat Berg, seinem größten literarischen Thema, überredet worden.

IMG_083110 Jahre später, zum 70. Geburtstag von Graf 1964 kam es dann zur oben dokumentierten, etwas peinlichen Überreichung des "Ehrentellerls". Graf, der in Berg damals gemeinhin als "Nestbeschmutzer" galt, fühlte sich dem ansonsten nicht unbedingt beliebten Bürgermeister Gastl aber so verbunden, dass er ihn fortan als seinen "Freund" bezeichnete und ihm sogar sein Buch "Bayrische Dorfgeschichten" widmete, das heute - ein halbes Jahrhundert später - die QUH zum diesjährigen Adventskalender mit "Berger Dorfgeschichten" inspiriert hat. IMG_0849

Zwei Dinge sind an diesen Dokumenten so bemerkenswert: Graf musste nach seinem Appell "Verbrennt mich!" 1933 sofort aus Deutschland flüchten. In seinem Heimatdorf Berg galt er nach dem Krieg deshalb aber beileibe nicht als Held. Noch Jahrzehnte nach seinem Tod gab es Proteste gegen die Benennung einer Straße nach dem größten Sohn der Gemeinde (König Ludwig war ja immerhin ein "Zugroaster"). Die Proteste waren so erfolgreich, dass auch heute nur eine Kreuzung ohne Postadresse nach dem Dichter benannt ist. Die Geschichte finden Sie natürlich bei der QUH: http://quh.twoday.net/stories/unser-oskar-pt-2/ .

IMG_1002
Widmung von Oskar Maria Graf an Wilhelm Gastl

Und glauben Sie es uns, das obige Video ist es wirklich wert, angesehen zu werden. - Vom Verbleib des "Ehrentellerls" ist leider nichts bekannt.

Wenn Sie wissen wollen, wem dieser Briefkasten gehört, dann klicken Sie hier (QUH-Listenplatz Nr. 13).

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