Historisches Berg

Freitag, 26. Februar 2016

Sensationelle Luftaufnahmen pt.2

Am Dienstag haben wir Ihnen hier die Photos der Bayerischen Fliegerkompanie vorgestellt (siehe weiter unten im QUH-Blog), die diese vor 100 Jahren von Berg gemacht hat. Nach den Bildern von Berg, Farchach und Aufkirchen fliegen wir heute weiter über die Ortsteile Kreuzweg, Sibichhausen, Assenhausen und zuerst Leoni:


Leoni aus der Luft am Abend des 23. Juni 1916 um 18 Uhr 50 photographiert von Leutnant Schöpf (Bild zum Vergrößern anklicken)

Im Vergleich zu den übrigen Ortsteilen war Leoni schon vor 100 Jahren relativ besiedelt. Oben im Wald die Votivkapelle; rechts davon, in der Bildmitte oben, wo heute das Rathaus steht, nichts als ein Acker. Rechts unten in Bild zieht sich der heute unermeßlich vollgebaute Kreuzweg einsam den Berg hinauf. Den schauen wir uns einmal genauer an:


Der Kreuzweg aus 1600m Höhe vom selben Photographen (Bild zum Vergrößern anklicken)

Am Kreuzweg ist heute die "Verdichtung" der Ortsteile am weitesten fortgeschritten. Rechts oben im Eck erkennt man die Mauern vom Kloster Aufkirchen. Rechts unten die heute unzugängliche Maxhöhe. Wir fliegen weiter Richtung Sibichhausen:


Blick über Sibichhausen bis nach Assenhausen. Aufgenommen aus 1900m Höhe am 4. Juni 1916 von Leutnant Blaufuß (Bild zum Vergrößern anklicken)

Sibichhausen bestand vor 100 Jahren eigentlich nur aus zwei Bauernhöfen (Lenz & Klas). Links oben im Eck ist Assenhausen zu erkennen; unten links der Allmannshauser Filz, - heute das Rückhaltebecken bei Flut - in dem man auf dem Photo die Gräben entdeckt, in denen damals Torf abgebaut wurde.

Wie schon am Dienstag entnehmen wir die Photos, die im Bayerischen Hauptstaatsarchiv aufbewahrt werden, dem wunderschönen Band "Luftpioniere vor 100 Jahren" von Benno C. Gantner. Fragen Sie gar nicht im Handel, das Buch ist total vergriffen und sehr gesucht. Den ersten Teil unseres Artikels über Berg und Aufkirchen finden sie hingegen wohlfeil hier:
http://quh.twoday.net/stories/berg-vor-100-jahren-sensationelle-flugaufnahmen-aufgetaucht/

Weitere historische Luftbildervon Berg bei der QUH hier:
http://quh.twoday.net/stories/berg-aus-der-sicht-des-weihnachtsmannes/

Dienstag, 23. Februar 2016

Berg vor 100 Jahren - sensationelle Flugaufnahmen aufgetaucht

Vor fast genau 100 Jahren flogen Beobachter der bayerischen Fliegerkompanie über den Starnberger See, um Photos zu machen. Es war Krieg. Wahrscheinlich übten die Piloten mit ihren Photographen Aufklärungsflüge über feindlichem Gebiet. Auf jeden Fall entstanden Flugaufnahmen unserer Gegend, die heute im Bayerischen Hauptstaatsarchiv lagern und von dem Starnberger Archivar Benno C. Pfaller aufgestöbert wurden.


Im Anflug auf Berg: Luftbild vom 22.12.1914 von Leutnant Spruner von Mertz (Aufnahme zum Vergrößern anklicken)

Berg war zu dieser Zeit noch ein kleines Dorf. Insbesondere der Uferbereich in Unterberg war von jeglicher Bebauung frei. Rechts in der Mitte sieht man das damals noch "königliche" Schloß der Witterlsbacher, das meistens bei den Aufnahmen ausgespart wurde. Wir gehen noch etwas näher ran:


Berg aus 1000m Höhe; Aufnahme vom 4. Juli 1916 um 8 Uhr früh von Leutnant Blaufuß (Aufnahme zum Vergrößern anklicken)

Auf dem Bild erkennt man den Ortskern von Berg: Das große Haus am Ortseingang ist die "Brauerei Schloß Berg"; die Ortsstraße ist noch nicht begradigt. Im Ort sieht man den großen Huberhof, rechts davon die Kapelle; noch weiter rechts das ehemalige Schloß Elsholz; ganz am Bildrand rechts auch das Königsschloß (noch mit den 4 Türmchen). Wir fliegen weiter nach Aufkirchen:


Farchach und Aufkirchen: aufgenommen am 16. Juni 1916 um 7 Uhr 30 früh von Leutnant Geyr aus 1600m Höhe (Aufnahme zum Vergrößern anklicken)

Der Weg hoch nach Aufkirchen war linksseitig von Bäumen gesäumt; die Lindenallee (mitten im Bild wie eine Perlenschnur) frisch gepflanzt. In Aufkirchen (rechts) erkennt man am Ortsrand die Schule und auf der anderen Straßenseite den Pfarrhof. Die Hänge sind noch unverbaut. Oben am Bildrand Farchach.

Wir entnehmen die Photos dem wunderschönen Band "Luftpioniere vor 100 Jahren" von Benno C. Gantner. Fragen Sie gar nicht im Handel, das Buch ist total vergriffen und sehr gesucht.

60 Jahre später sah Berg dann so aus:

Luft-berg
Berg aufgenommen am 10.9.1973 Freigabenummer GS 300/5829.

Auch im Archiv der QUH finden sich - teilweise noch ältere - Flugaufnahmen von Berg: vgl.:
http://quh.twoday.net/stories/berg-aus-der-sicht-des-weihnachtsmannes/

Mittwoch, 7. Oktober 2015

… und droben singt er weiter ... Fred Bertelmann zum 90. Geburtstag

Heute wäre der Berger Fred Bertelmann, der größte Schlagerstar, den Deutschland in den 50igern hatte, 90 Jahre alt geworden.


Fred Bertelmann mit 80 Jahren in ungewohnter Rolle aber mit großer Pose in "Dido & Aeneas" einer Festspielaufführung der Bayerischen Staatsoper 2006 (von Andreas Ammer & Sebastian Hess)

Bis zum Schluß ist er aufgetreten. Dass er nach dem letzten Vorhang zumindest weitersingen könne, war sein größter Wunsch: Mit den Worten "…und droben sing ich weiter" hatte sich der Atheist Fred Bertelmann nicht allzulange vor seinem Tod ins Goldene Buch der Gemeinde Berg eingetragen. ( http://quh.twoday.net/stories/mein-lachender-fred-aeneas-bertelmann/ ).

Dabei mußte er doch immer wieder das gleiche Lied singen, das er am 19.7.1957 in einem Kölner Studio aufgenommen und dazu herzlich gelacht hatte. Allerdings wurde Fred auch im Alter weder auf den Bühnen noch am Stammtisch in den Berger Stuben müde, "Der lachende Vagabund" zu sein.


Das "Video" zum Megaschlager hatte 1958 Spielfilmlänge

Was die wenigsten wissen: das Lied "Der lachende Vagabund", das Freds Leben von einem Tag auf den anderen änderte, war eine Coverversion eines amerikanischen Country-Liedes, das in der Version des Komponisten Jim Lowe in USA nicht allzu erfolgreich gewesen war. Dafür verkaufte umgekehrt Freds Version des Liedes allein in den USA 300.000 Kopien. In Deutschland wurde die Single 3,5 Millionen Mal verkauft. Zum Vergleich: die erfolgreichste Single aller Zeiten ist in Deutschland Elton Johns "Candle in the Wind" mit 4,5 Millionen. Und das "atemlose" Liedl der Neu-Starnbergerin Helene Fischer verkaufte sich gerade 1 Million mal. Zahlen, über die Fred noch im Grab herzhaft lachen dürfte.


Das Lied, das Fred zum Star machte in der nicht ganz so gut gelaunten, dafür rockigen Country-Originalversion

Fred war zwar Schlagerstar von Herzen, aber ebenso Künstler durch und durch. Am Ende seines Lebens begann er noch zu malen. Das Portrait von Oskar Maria Graf am "Stüberl" stammt von ihm und sogar sein Grabkreuz hat er selbst gestalt.


Selbstbestimmt: Das Grab von Fred Bertelmann in Aufkirchen

Außer der QUH erinnert heute nur der WDR in der Radio-Sendung "ZeitZeichen" an den runden Geburtstag der Legende:
http://www.wdr5.de/sendungen/zeitzeichen/fred-bertelmann-schlagersaenger-104.html
Der Beitrag ist unter dieser Adresse jederzeit nachzuhören. Fred erinnert sich dort auch an seine "doppelte" Berger Hochzeit. Ein anderer bekannter Berger kommt ebenfalls zu Wort.

Zum Tod von Fred Bertelmann berichtete die QUH 2014 so:
http://quh.twoday.net/stories/fred-bertelmann-in-berg-beigesetzt/

"Das Berger Blatt" brachte damals gar eine Sonderausgabe:
http://static.twoday.net/quhbilder/files/20140122_QUH_Sonderausgabe.pdf

Donnerstag, 24. September 2015

60 Jahre Energie für Berg

Während das Projekt: Erneuerbare Energien aus Berg langsam Gestalt annimmt ...


Das erste Windrad ist zu ⅔tel fertig

… feiert eine alteingesessene Energiehandelsfirma in Berg ein großes Jubiläum: die ESSO-Tankstelle in der Perchastraße in Berg, seit ehedem nicht nur Tankstelle, sondern auch sozialer Treffpunkt, existiert diesen Monat seit stolzen 60 Jahren.


Wie aus dem Wilden Westen: Die Berger Esso-Tankstelle in den 60er Jahren

Die Tankstelle feiert dies mit einigen Aktionen. Rechtzeitig zum Jubiläum sind auch einige schöne Photos aus der Vergangenheit aufgetaucht. So wie dieses wunderbare Panoramabild des "Alles-Lieferers" aus zusammengeklebten Photos (zum Vergrößern anklicken):



Zum Jubiläum hat man die ganze Tankstelle runderneuert. Seit kurzem gibt es auch endlich wieder eine Waschanlage.


Tiger im Tank: Die neue Esso

Geschäftsführer Armin Wiesinger und sein Team haben bereits angeboten, sich auch für die Flüchtlinge in Berg mit Spenden zu engagieren.

Und das funktioniert konkret so:


Armin Wiesinger und sein Mitarbeiter

Die Esso-Tankstelle bietet einen Fundus an Markenartikeln - Rucksäcke, Stabmixer, Kaffeemaschinen, Spiele etc. - zu einem günstigen Sonderpreis - gestaffelt bis 20 € - zum Verkauf an. Über alle Verkäufe wird genau Buch geführt. Das eingenommene Geld dieser Aktion wird für die Asylhilfe zur Verfügung gestellt. Bei späteren Aktionen will man sich zum Beispiel für Sportvereine etc. engagieren - klasse Aktion!

Freitag, 3. April 2015

Marsch des Lebens - Der Todesmarsch aus Dachau, Teil 2

Bewusst nennen die Organisatoren ihre Gedenkveranstaltung morgen zum 70. Jahrestag des Todesmarsches aus dem KZ Dachau "Marsch des Lebens". Die Veranstaltung steht unter der Schirmherrschaft von Dr. Peter Gauweiler, der im Schlosssaal von Schloss Unterallmannshausen um 17 Uhr die Abschlussrede halten wird, und BGM Rupert Monn, der um 14 Uhr am Kreisel den Marsch eröffnen wird. Am 26. April hatte die SS das Lager Dachau aus Angst vor den heranrückenden Alliierten geräumt. An die 8.000 Häftlinge - die meisten zu erschöft zum gehen - sollten nach Tirol geschafft werden. Viele starben am Wegesrand. Der ehemalige Häftling Karl Weber erinnert sich:

"Und wir, die am Schluß des Elendszuges marschierten, mußten miterleben, daß viele Kameraden nicht mehr mitgehen konnten, weil sie zu schwach waren. Hinter uns ging ein Trupp der SS mit Bluthunden und mit Maschinengewehren. Immer wieder krachte ein Schuß nach dem anderen. Wer nicht mitkam, der ist gnadenlos abgeknallt worden. Und wie viele gab es, die fußleidend und halbverhungert waren?"

Zwei junge Höhenrainerinnen erinnern sich ebenfalls an den Zug:

"Zuerst war es ein eigenartiges Geräusch von der Straße her. Wir waren alle sehr beunruhigt und wussten nicht, was es zu bedeuten hatte. Es war Ende April 1945, dass das Ende des Krieges unmittelbar bevorstand, war klar – unser Vater, der zu Hause war, sagte es voller Zuversicht täglich. Ich erinnere mich noch gut an meine Angst in dieser Nacht.

Im ersten Morgengrauen liefen wir nach draußen und sahen die vielen Leute. Oben auf der Hauptstraße kamen von Richtung Starnberg her viele Menschen in gestreiften grauen Anzügen. Manche von ihnen hatten eine graubraune Decke umgehängt. Jeder von ihnen hatte eine Nummer oder Buchstaben auf dem Rücken. Die waren auf den Jacken aufgemalt. Die Leute waren dürr, ausgemergelt, oft schwach zum Umfallen und viele von ihnen waren schon mehr tot als lebendig.

tm

Es sickerte durch, dass das KZ Dachau durch die SS geräumt worden war, weil die Amerikaner immer näher rückten. Mit großer Härte trieben die schwer bewaffneten SS-Männer den Zug ständig an – wohl weil sie selbst große Angst vor den Amerikaners hatten. Die Hungersnot und der Durst unter den Menschen waren groß und sie bettelten trotz der strengen Bewachung immer wieder nach etwas Ess- und Trinkbarem.

Da Brot und Milch schnell vergriffen war, kochten meine Mutter und andere Nachbarn immer wieder Kartoffeln in großen Dämpfern, in denen sonst eigentlich nur Futterkartoffeln für das Vieh gekocht wurde. Wir Kinder brachten sie in großen Schüsseln an den Straßenrand. Dieser Menschenzug war so lang, dass mehrere Tage lang, Tag und Nacht, das Klappern der Holzschuhe auf der Straße weithin zu hören war. Es war ein ganz eigenartiges Geräusch, das ich nie mehr vergessen werde."


Dies sind zusammengeführte Erinnerungen von Marianne Ziora und Veronika E. Winkler aus Höhenrain, die damals 10 und 13 Jahre alt waren. Die Erinnerungen und das Foto sind enthalten in der Berger Dokumentation „Gegen das Vergessen“, herausgegeben von Karin Höh-Knüppel / Kulturverein Berg e.V. 1996.

Es gibt nur wenige Fotos des Marsches. Sie stammen von Benno Gantner aus Percha, der es wagte, von seinem Balkon aus drei Aufnahmen zu machen.


Der Todesmarsch in Percha (Foto: Benno Gantner). Das Kreuz auf dem Rücken der Frau in der Bildmitte bedeutet: russische Gefangene

Es gibt auch die Geschichte einer heldenhaften Rettung. Leo Fuchsenberger vom Verein Christlicher Pfadfinder (VCP) Berg – Stamm Franz Kreis, der bei der morgigen Veranstaltung auch reden wird, hat eine Facharbeit über die Rettung geschrieben:

"Am 28. April 1945 entschloss sich Frater Franz Kreis vom damaligen Jesuitenrefugium auf der Rottmannshöhe, nach seiner unehrenhaften Entlassung aus der Armee, aber noch im Besitz einer Oberleutnant-Uniform, zusammen mit Otto Pies, einem Pater, der selbst im KZ Dachau inhaftiert gewesen war, dem Todesmarsch durch Berg und Höhenrain auf Fahrrädern zu folgen. Sie stießen kurz hinter Wolfratshausen auf die Gefangenen, die dort unter der strengen Bewachung im Wald lagerten. Die beiden Jesuiten konnten Kontakt zu Häftlingen aufnehmen, was vor allem durch die Oberleutnant-Uniform von Franz Kreis gelingen konnte.

Nachdem sich die beiden couragierten Ordensbrüder ein Bild von der Lage gemacht hatten, kamen sie in der darauf folgenden Nacht wieder. Diesmal mit einem geliehenen Lastwagen. Sie hatten Lebensmittel und Kleider dabei, die sie unter den Gefangenen verteilten. 12 verletzte Häftlinge konnten sie zur Behandlung mitnehmen. Zwei Nächte später zogen sie wieder los, und es gelang ihnen, weitere 20 Gefangene zu befreien. Allerdings befanden sich selbst nach dem Einmarsch der Amerikaner noch Insassen in den Lagern, die nur freigelassen wurden, wenn sie abgeholt und versorgt werden konnten. Aus Dachau wurden deshalb weitere Gefangene geholt, die auf der Rottmannshöhe Zuflucht und Versorgung erhielten."


Mehr Dokumente zum Thema unten in Teil 1 unserer Dokumentation ...

Donnerstag, 2. April 2015

Erinnerungen an den Todesmarsch vor 70 Jahren - Teil 1

Über ein halbes Jahr nach dem Todesmarsch vom April 1945 gab Josef Moser, der Gemeindeschreiber von Höhenrain, offiziell folgenden Bericht über die Taten von zwei unbekannten SS-Männern zu Protokoll (zum Vergrößern anklicken):


Aus dem Archiv der Gemeinde: Akte zum Vergrößern anklicken

Die SS beließ es nicht bei Prügeleien. In Aufkirchen wurden drei KZ-Gefangene erschossen. Mindestens einer davon wurde wohl von einem übereifrigen Aufkirchner Volkssturmmann erschossen, der sich später sogar noch der Tat rühmte; Aufzeichnungen darüber gibt es nicht.



Die Leichen wurden mit einem Schubkarren zum Friedhof gebracht. Der damalige Pfarrer Max Karbacher berichtetet: "Es war eine Prozession des Elends und des Jammers, Hunderte und Aberhunderte von wandelnden Leichen, die sich mühsam dahinschleppten oder erschöpft am Boden liegenblieben. Oft wurde ihnen unter Tränen Hilfe und Nahrung geleistet, soweit eine brutale Wachmannschaft es nicht rüpelhaft verwehrte, drei Männer wurden auf dem Durchzug durch unsere Pfarrei erschossen und bei der Abenddämmerung ohne Wissen des Pfarres durch Veranlassung von Bürgermeister Laux im Friedhof verscharrt."

Wir erinnern uns an Bürgermeister Laux, der seit 1936 in Berg im Amt war:


Erlass des Berger Bürgermeisters von 1938 (zum Vergrößern anklicken).

Zum Gedenken an den Todesmarsch vor 70 Jahren findet am Samstag in Berg zwischen 14 und 17 Uhr der "Marsch des Lebens" statt. Morgen mehr dazu.

Freitag, 13. März 2015

Nazi-Metropole Berg

Die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit steht in Berg leider nicht unbedingt im Fokus des allgemeinen Interesses. Ganz vergessen ist beispielsweise der Berger Bürgermeister, der dieses grausige Dokument unterzeichnete.


Erlass des Berger Bürgermeisters von 1938 (zum Vergrößern anklicken). Wer kenn noch dessen Namen? (Archiv Gemeinde Berg)

Umso wichtiger ist die Veranstaltung, die heute abend im Rittersaal von Schloss Kempfenhausen stattfindet: ein Vortrag über den Allmannshauser Nazi-Schergen Hanns Johst, der 1935-1945 Präsident der Reichsschrifttumskammer war, aber bis 1978 angeblich "entnazifiziert" in seiner Villa weiter lebte.


Artikel von Hanns Johst, damals Deutschlands "führender" Dramatiker

Johsts Reichsschrifttumskammer war eine Zwangsorganisation. Nur wer in ihr Mitglied war, durfte als Schriftsteller, Verleger oder Buchhändler tätig werden. Die Gründung der Reichsschrifttumskammer war eine Folge der Bücherverbrennung von 1933 und diente der "Freihaltung des Schrifttums von ungeeigneten und unzuverlässigen Elementen" wie z.B. Juden, Homosexuellen oder politisch unliebsamen Schriftstellern.


Der Führer persönlich mit seiner Nichte Angela Raubal (links) und Elfriede Raubal am "Würmsee"

Hitler selbst schätzte den damals "Würmsee" genannten See aus mehreren Gründen. Privat war er hier mit seiner geliebten Nichte "Geli" öfters Boot gefahren und politisch wurde in Starnberg bereits 1925 (!) die allererste Ortsgruppe der NSDAP gegründet. Vgl. hier: http://quh.twoday.net/stories/kleinstadt-unterm-hakenkreuz/

Einiges über Hanns Johst findet sich im Blog hier:
http://quh.twoday.net/stories/hanns-johst-praesident-der-reichsschfttumskammer-allmannshausen/

Mehr Fundstücke zu Berg und Höhenrain unterm Hakenkreuz gibt es hier:
http://quh.twoday.net/stories/das-hakenkreuz-wehte-ueber-berg/
http://quh.twoday.net/stories/post-aus-hoehenrain/

Samstag, 7. März 2015

Hanns Johst, Präsident der Reichsschrifttumskammer - Allmannshausen

Für die Nazis war er der größte Dramatiker. Hanns Johst (1890-1978), SS-Gruppenführer und Präsident der Reichsschrifttumskammer, zählte für die Nazis zu einer privilegierten Gruppe "gottbegnadeter" Künstler. Er setzte die mit der Bücherverbrennung begonnenen Verfolgung deutscher Schriftsteller fort. Nach dem Ende von Nazi-Deutschland veröffentlichte er unter dem Pseudonym "Odemar Oderich" lächerliche Gedichte für die Edeka-Zeitschrift "Die kluge Hausfrau". Nazi blieb er. Die andere Konstante in seinem Leben: Er hat es in Allmannshausen verbracht, wo er sich 1915 niedergelassen hatte. Dort hat der Name Johst bis heute einen "klangvollen" Namen. Wie kam es dazu?

... Der Allmannshauser Hanns Johst (r.) schenkt Joseph Goebbels ein Buch


Die Johst-Villa am Zieglerweg in Allmannshausen wurde 1936 erbaut

1933 veröffentlicht Hanns Johst, ursprünglich ein mit Brecht bekannter expressionistischer Dichter, hier in seiner schwarzen SS-Uniform, das Drama "Schlageter". Johst widmet das Stück "In liebender Verehrung und unwandelbarer Treue" Adolf Hitler, an dessen Geburtstag es in Berlin triumphal uraufgeführt wird.

Es endet mit der Erschießung des zum Märtyrer stilisierten Saboteurs Schlageter, der zum "ersten Soldaten des Dritten Reiches" wird. Das Stück wird wird ein ungeheurer Erfolg und in über 1000 Städten des Reiches gespielt. Bis heute ist der Satz „Wenn ich Kultur höre … entsichere ich meinen Browning“ aus dem 1. Satz dieses Dramas, den sich zuerst Joseph Goebbels aneignete, ein geflügeltes Wort.

Hanns Johst, ein enger Freund des SS-Reichsführers Heinrich Himmler, wird daraufhin 1935 Präsident der Reichsschrifttumskammer. Es zählt zu seinen Aufgaben "das deutsche Kulturleben von allem schädlichen und unerwünschten Schrifttum rein zu halten". Dazu machte Johst auch praktische Vorschläge: "Könnte man nicht vielleicht Herrn Thomas Mann, München, für seinen Sohn ein wenig inhaftieren? Seine geistige Produktion würde ja durch eine Herbstfrische in Dachau nicht leiden.", schrieb er an den "Lieben Heini'", Heinrich Himmler, einen der Hauptverantwortlichen des Holocaust.

Auch einen ihm unliebsamen "frechen Volljuden" aus Seeshaupt bat Johst "mit jähem Finger" zu behandeln. Von Himmler wurde Johst als persönlicher Chronist des Reiches ausgewählt und gar in die Pläne zur Judenvernichtung eingeweiht. Von der so geplanten „Saga des Großgermanischen Reichs“ erschien nur eine kleine Vorstudie: "Ruf des Reiches – Echo des Volkes! Eine Ostfahrt".

Hanns Johst blieb auch nach dem Krieg in seiner Allmannshauser Villa und schaffte es sogar, zunächst als "Mitläufer" klassifiziert zu werden. Auch wenn das Gericht ihn letztendlich zumindest als "Belasteten" einstufte, galt er ab 1955 nach langen Prozessen faktisch als rehabilitiert. Von der Nazi-Ideologie hat er sich dennoch nie wirklich distanziert. Noch Ende der 50iger Jahre notiert Johst, der nunmehr verbitterte Hausautor von "Die kluge Hausfrau" Unfassbares:

"Da sitzt also eines Tages einem eine bewährte Freundin gegenüber und fragt mit runden Augen wie man zu den Morden von SS Männern stehe. Ohne Konvention sänke einem der Unterkiefer auf das Chemisette. Die einzige Gegenfrage könnte lauten: wie denken sie über Kinder die Stubenfliegen Beine ausreissen?"

In Berg spricht man den Namen Johst hingegen durchaus auch mit positiven Konnotationen aus: In Allmannshausen ist man dankbar, das die Tochter Krista den sogenannten "Johst-Garten" der Gemeinde langfristig zur kommunalen Nutzung überlassen hat (die Feuerwehr feiert dort gerne, die Kinder kicken). Und im Archiv der Gemeinde stehen Bücher von Hanns Johst grausigerweise gar neben denen von Oskar Maria Graf.

Exponat im Keller des Berger Rathauses: Nazi-Johst neben Oskar Maria Graf

Der Osnabrücker Professor Rolf Düsterberg ist weltweit der führende Experte für das "Werk" und Wirken von Hanns Johst. Von ihm stammt das glänzend recherchierte Buch "Hanns Johst - der Barde der SS", das das verhängnisvolle Wirken von Johst in Nazi-Deutschland klar nachzeichnet. Es ist eine Schande, dass es 10 Jahre dauerte, bis dieser Forscher endlich nach Berg eingeladen wurde, und es ist dem Berger Kulturverein bzw der Initiative von Susanne Polewsky zu danken, dass es jetzt endlich geschieht: Am Freitag, dem 13. März tritt Rolf Düsterberg im Rittersaal von Schloss Kempfenhausen auf, um über Hanns Johst zu sprechen (20 Uhr). Eine dringend nötige Aufklärung!

Zur Vorbereitung lohnt ein kundiger Artikel von Rolf Düsterberg aus der Zeit: http://www.zeit.de/2004/12/A-Johst oder eine Kurz-Biographie: http://www.polunbi.de/pers/johst-01.html

Johsts neuer Nachbar, Michael Krüger, hat ein Gedicht über ihn und sich geschrieben: http://quh.twoday.net/stories/der-schreibtisch-in-allmannshausen-michel-krueger-wird-70/

Montag, 15. Dezember 2014

Ein Hauch Neuschwanstein

Das Verhältnis der Berger zum "Missionswerk" WDL ("Wort des Lebens") ist eines jener, in denen schon einmal in der Mitte das Wörtchen "aber" vorkommt. Ein kleiner Vorbehalt bleibt oft; zu unbekannt ist vielen Bergern, was hinter den Mauern der Seeburg und des Schlosses unten am See vor sich geht.


Fast wie vom Kini: das 1890 im arg historistischen Stil erbaute "Schloß Biberkor", heute "Seeburg" genannt

Seit man um Haaresbreite den Mietvertrag mit dem Staat Bayern gekündigt bekommen hat, bemüht man sich bei WDL offenbar um etwas Öffnung hin zur Bevölkerung. Beim diesjährigen adventlichen "Burgfest" waren auch Stände von Nicht-WdL-lern zugelassen und es gab sogar Alkohol (und köstliche Wildschweinwürste). Stündlich ging es per Burgführung bis hinauf auf den Turm.


Bisher waren nur wenige Berger hier: den geschmückten Turm hinauf

Das im Dunkeln mittelalterlich anzusehende Schloß wurde übrigens nicht von Adligen oder gar Rittern erbaut, sondern 1889 ganz profan von einem reichen Münchner Bauunternehmer und Bergwerksbesitzer (Heinrich Hoech). Ein Industrieller aus Kochel ließ es nach dessen Tod vom Architekten Franz von Thiersch, der u.a. auch den Münchner Justizpalast und einige Isarbrücken gebaut hat, 1902 umbauen. Nachdem kurzzeitig ein Torfwerkbesitzer die Burg erworben hatte, kaufte sie 1921 der Freistaat, dann ein leibhaftiger Prinz von Ysenburg und schließlich die nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV), bevor die Seeburg 1945 wieder an den Staat fiel, letztlich von WDL gepachtet wurde und hauptsächlich für religöse Jugendfreizeiten verwendet wird. Was kaum einer weiß: Man kann in Nebenzeiten manchmal einfach ein Hotelzimmer dort buchen.


Neuschwanstein für Alle: das gelungene "Burgfest der Seeburg am Wochenende

Sonntag, 9. November 2014

Kleinstadt unterm Hakenkreuz

Der 9. November ist bekanntlich nicht nur der Tag, an dem ein deutsches Unrechtsregime endete (Mauerfall), sondern auch der Tag, an dem ein anderes, eines, das die Deutschen Zeit seines Bestehens bejubelt und nicht aus eigener Kraft beendet haben, sein wahres Gesicht zeigte (Reichskristallnacht).

Auch am Starnberger See hat es genügend Nazis gegeben, die nicht nur gerne um den Maibaum tanzten ...

nazi-maibaum1
Tanz um den Hakenkreuz-Maibaum in Aufkirchen

… sondern auch das Bewirten von Juden kategorisch untersagten. Dies belegt dieses Dokument, das wir hier zum ersten Mal veröffentlichen:


Erlass des Berger Bürgermeisters von 1938 (zum Vergrößern anklicken)

Wie es der Nationalsozialismus geschafft hat, in kürzester Zeit mit der tatkräftigen Unterstützung der hiesigen Bevölkerung auch im Dorf an die Macht zu kommen, beschreibt ein erstaunliches Büchlein mit dem Titel "Kleinstadt unterm Hakenkreuz", das bereits 1934 erschienen ist und minutiös beschreibt, wie die braune Revolution in Starnberg über Nacht alle öffentlichen Institutionen in ihre Gewalt gebracht hat. Geschrieben hat es Otto Knab, der bis zu diesem Zeitpunkt Redakteur beim "Starnberger Land- und Seeboten" gewesen war. Vom Hissen der Flaggen bis zur Verhaftung von Stadträten reichte das Spektrum der braunen Diktatur. Otto Knab räumt auf mit der Ausrede, dass die Nazi-Diktatur eine Diktatur von oben herab war: "Das Sytem funktionierte. Von unten nach oben! Wie unten in den Vereinen und Innungen, so oben in den Verbänden, Kammern, Ausschüssen, Räten. Ein Befehl ward eingeschaltet - und an die Stelle alterprobter, z.T. generationenlang erfahrener Männer traten die Kämpfer im braunen Hemd; abgerutschte, durch x Konkurse geschwemmte Leute saßen nun auf den Präsidentenstühlen der Berufs- und Ständekammern."


Otto Knab (1905-1990), Journalist, flüchtete 1934 in die Schweiz; unter den Nazis war bereits der Besitz seines Buches "Kleinstadt unterm Hakenkreuz verboten

Jetzt ist im Eigenverlag von Benno C. Gantner ein kommentiertes Reprint dieses einzigartigen Dokumentes erschienen. Es liegt in den meisten Buchhandlungen an der Kasse aus.

Mehr Fundstücke zu Berg und Höhenrain unterm Hakenkreuz gibt es hier:
http://quh.twoday.net/stories/das-hakenkreuz-wehte-ueber-berg/
http://quh.twoday.net/stories/post-aus-hoehenrain/

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