Montag, 21. Mai 2012

"Außerordentlich pietätlos"

Mit 3 Gegenstimmen wurde heute im Kreistag die Verordnung erlassen, dass Windkraftanlagen bis zu 210m in einem Landschaftsschutzgebiet rein rechtlich nicht als Störung dieser Landschaft gelten. Damit wurden die rechtlichen Grundlagen geschaffen, die Windkraftanlagen auf die in der Vergangenheit festgelegten Gebiete zu beschränken. Wie die Zeitungen vermelden, gab es vor dem Landratsamt eine Demonstration, bei der der Landschaftschutz symbolisch zu Grabe getragen wurde. Bergs Bürgermeister Monn nannte laut "Merkur" die Demonstration "Außerordentlich pietätlos". Vgl. die Berichte:

http://www.merkur-online.de/lokales/landkreis-starnberg/windkraft-landkreis-starnberg-landschaftsschutz-geaendert-2327408.html

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/starnberg/starnberg-protest-begleitet-windrad-debatte-1.1363191

Das erste Windkraftgutachten für Berg

2.7 Millionen € Kreditaufnahme hat die im Moment praktisch schuldenfreie Gemeinde Berg für das Jahr 2013 beschlossen, um sich eventuell mit 51% an einer Betreibergesellschaft für die Windkrafträder auf Gemeindegebiet zu beteiligen (weitere Kreditaufnahmen müssten folgen). Damit diese Investitionen sich lohnen, hat der Gemeinderat von Berg im November eine 4-monatige Windmessung (Kosten 30-40.000 €) beschlossen. Auf Nachfrage der QUH in der letzten Gemeinderatssitzung wurde bedauerlicherweise keinerlei Auskunft über den Fortgang dieser Windmessung gegeben.

Wohlan: Wo der Bürgermeister glaubt, Schweigen sei opportun, müssen wir eben auf eigene Zahlen zurückgreifen. Der Farchacher Flugzeugingenieur Michael S., QUH-Blog Lesern auch als "Aviator" bekannt, misst seit mehr als 4 Monaten mit professionellen Instrumenten alle 60 Sekunden den Wind in 675 m Höhe (über dem Meeresspiegel). Es ist ihm ernst mit dem Unterfangen: "Es haben auch schon erste Versuchsflüge mit Messungen in niedrigen Flughöhen stattgefunden", berichtet er uns. Das von der Gemeinde beauftragte Gutachterbüro misst den Wind mit Lasern.

Dies ist der gemessene Wind seit dem 7.1.2012:

Wind_Januar_April_2012

Weiter schreibt der "Aviator": "Ich habe angenommen, dass sich die Windgeschwindigkeit von Messhöhe auf Nabenhöhe (140 m) verdoppelt. Eigentlich ist dieser Faktor wieder etwas zu hoch, aber die Stromgewinnung aus Wind soll ja wohlwollend betrachtet werden …" - Das ergibt dann folgendes Ergebnis:

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Windkraftertragsberechnung 2012: 188826 Datensaetze
(Bisher 188826 Minuten, 3147 Stunden bzw. 131 Tage)
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Durchschnitt. Windgeschwindigkeit (675m) : 2.05 m/s
Windzunahmefaktor Boden -> 140m (Nabe) : 2.00
Durchschnitt. Windgeschwindigkeit (815m) : 4.11 m/s
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4,1 % durchschnittliche Windgeschwindigkeit entsprächen in etwa der Untergrenze des Bayerischen Windatlas (von dem immer gern behauptet wird, er untertreibe). Der "Aviator" hat sich außerdem die Mühe gemacht, diese minütlich gemessenen und korrigierten Werte auf sämtliche in der Diskussion befindlichen Windkraftanlagen anzuwenden. Welche WKA hätte mit dem tatsächlich gemessenen Wind welchen Ertrag gebracht? - Für die in der Diskussion stehende Enercon E101 sähe das dann so aus:

Enercon_E101_Januar_April_2012

Enercon E-101 (Investitionskosten 4000000 Euro)
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Installierte Nennleistung : 3050 kW
Theoretisch bisher lieferbare Energie : 9.599 GWh
Tatsaechlich bisher gelieferte Energie : 1.587 GWh
Vollaststunden bisher (max. 8760/Jahr) : 520.3 h
Effektiver Wirkungsgrad bisher : 16.5%
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Energie, hochgerechnet auf 1 Jahr : 4.417 GWh
Jaehrlicher Ertrag (9.5 Ct/kWh) : 419613 Eur
Jaehrliche Kosten 10% (Zins,Tilgung, etc): 400000 Eur
Jaehrliche Bilanz (Ertrag - Kosten) : 19613 Eur
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Das heißt: Die Windmessungen ergeben nicht die 6-9% Rendite, von der der Bürgermeister gerne spricht, sondern nur höchstens 0,5%. Dies allerdings bei recht optimistischen Voraussetzungen. Denn in diesen Rechnungen gibt es natürlich mehrere Unbekannte: Die Investitionskosten stammen aus dem Internet (sind aber wohl eher zu gering); der Wind müsste das ganze Jahr so blasen wie im Januar; theoretisch beträgt die Windzunahme in 140 m Höhe nur das 1.85- und nicht das 2.0-fache. Jeder kleine ungeplante Vorfall oder Kostenpunkt würde den Gewinn auffressen.

Einen etwas besseren Wirkungsgrad als für die Enercon-Anlage errechnet der "Aviator" für die Siemens SWT 2,3

Siemens SWT-2.3-113 (Investitionskosten 3000000 Euro)
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Energie, hochgerechnet auf 1 Jahr : 4.136 GWh
Jaehrlicher Ertrag (9.5 Ct/kWh) : 392929 Eur
Jaehrliche Kosten 10% (Zins,Tilgung, etc): 300000 Eur
Jaehrliche Bilanz (Ertrag - Kosten) : 92929 Eur
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Hierzu schreibt der Aviator" allerdings: "Das ist eine WKA mit permanent erregtem Generator, der große Mengen Neodym benötigt. Aufgrund der bekannten Probleme mit den seltenen Erden, welche nur zusammen mit Thorium und Uran vorkommen und zu einer extremen radioaktiven Belastung der Umwelt führen, können solche WKAs aber kaum in Betracht gezogen werden."

Geradezu fatal wäre der Wirkungsgrad mit einer ebenfalls schon diskutierten WKA Enercon 126, die zwar die doppelte Energie liefern würde, wegen der vierfach höheren Investitionskosten allerdings über die Jahre zu Millionenverlusten führen würde:

Enercon E-126 (Investitionskosten 13000000 Euro)
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Energie, hochgerechnet auf 1 Jahr : 8.289 GWh
Jaehrlicher Ertrag (9.5 Ct/kWh) : 787492 Eur
Jaehrliche Kosten 10% (Zins,Tilgung, etc): 1300000 Eur
Jaehrliche Bilanz (Ertrag - Kosten) : -512508 Eur
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Die QUH kann die Richtigkeit der Zahlen nicht überprüfen, kann aber den international guten Ruf ihres Urhebers bestätigen. Anders als teure Gutachter, die ihre Rohdaten (auch gegenüber dem Auftraggeber) nicht veröffentlichen, versichert er: "Wie immer stelle ich auch in diesem Fall gerne die Rohdaten zur Verfügung, wenn Sie meine Rechnungen überprüfen möchten."

Den Gemeinderatsbeschluss mit den eigenartigen Antworten des beauftragten Gutachters finden Sie hier: http://quh.twoday.net/stories/51315378/

Im Kommentar die Berechnungen des "Aviators" für verschiedene WKAs. Dort auch einige korrigierte Zahlen zu den Investitionssummen, die besagen, dass sich auf Grund der gemessehen Werte wohl außer der Siemens-Anlage keine einzige WKA in Berg rechnen würde.

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