Dürfen die das? - Die Telefonumfrage in Berg

"Ding dong", das Telefon. Um diese Zeit, wer soll das sein? Die Nummer wird angezeigt: 073127090911 (unbekannt). - "Hallo?" - "Guten Abend, hier spricht die ABS Marktforschung Ulm, wir führen eine Telefonbefragung zu den geplanten Windrädern in den Wadlhauser Gräben in ihrer Heimatgemeinde Bergen (sic!) durch." - Aha, der weiß wo ich wohne. Woher?


Vorsicht bei dieser Nummer: die Marktforschung ist dran!

Auf Rückfrage, für wen die Telefonbefragung durchgeführt wird, wird die Aussage verweigert, da dürfe man leider keine Auskunft geben. Dafür werden am Ende des kleinen Fragenkatalogs im Gegenzug persönliche Daten wie Alter, Bildungsstand, Wohnort und Anzahl der Personen im Haushalt abgefragt. Verweigert man diese Auskünfte bekommt man die freundliche Antwort, dass man "natürlich" das Recht habe, diese Angaben zu verweigern . - Na so ein Glück.

Nachgefragt wird zuvor:

1. Sind Sie für oder gegen die Windkraftanlagen oder ohne Meinung?
2. Fühlen Sie sich genügend informiert?
3. Würden Sie einen Bürgerentscheid zu diesem Thema befürworten?

Dann noch einmal die gleiche Frage in verschärfter undemokratischer Form, man fühlt sich zum Diktator berufen:

4. Wenn Sie ganz allein entscheiden könnten, wären sie für oder gegen … ?

Als Demokrat kann ich nicht allein entscheiden. Der Diktator in mir würde gerne solche Anrufe verbieten. Den Hinweis, dass 1. der Bürger selbst in einem demokratisch festgelegten Verfahren so einen Bürgerentscheid beantragen kann, dass 2. dieser Versuch in Berg bereits unternommen wurde und 3. bereits keine Mehrheit gefunden hat, man deshalb also 4. die erzwungene Antwort (die einer Demokratie widerspricht) nicht verstehe, kann nicht zu Protokoll genommen werden. Sie paßt nicht ins Antwortschema. Der Fragensteller, der weiterhin von der Gemeinde "Bergen" spricht, weiß vom stattgefundenen Versuch eines Bürgerentscheides nichts. Nach der Verweigerung der "statistischen" Daten endet das Gespräch dann allerdings recht schnell (Freundlich war er ja, der arme Student, der sich da abendlich ein Zubrot verdient).

Ruft man bei der angegebenen Telefonnummer zurück, wird man mit einem Anrufbeantworter verbunden. Nach drücken der "1" bekommt man erklärt, wieso ausgerechnet diese Nummer ausgewählt worden sei: dies geschehe rein zufällig und es würden angeblich weder Namen noch Adressen gespeichert. Man kann laut Gesetz zwar der Speicherung seiner Nummer widersprechen, aber dafür gibt der Anrufbeantworter natürlich keine Gelegenheit.

Dürfen die das? Anrufe zu Markt- und Meinungsforschungszwecken sind - sofern sie nichts verkaufen wollen, was hier nicht der Fall ist - juristisch etwas umstritten, aber - erlaubt ... sogar bis 21 Uhr. Produktwerbung hingegen ist verboten. Wikipedia behauptet: "Telefonumfragen, die an ein Produkt oder eine Produktgruppe gebunden sind, und dem auftraggebenden Unternehmen somit zur Produktverbesserung beitragen oder als Werbung für ein ebensolches Produkt gelten können, können gemäß UWG gesetzeswidrig sein. Sie gelten als Cold Call und stellen somit einen schweren Eingriff in die Privatsphäre des Angerufenen dar, sofern dieser nicht ausdrücklich seine Genehmigung erteilt hat". Genehmigung habe ich keine erteilt, aber juristische Spitzfindigkeit: Sind die Windräder oder Bürgerbefragungen ein Produkt? Man könnte meinen, die selbsternannten Bewahrer der Wadlhauser Gräben wollen uns einen Bürgerentscheid verkaufen, den für den sie sonst keine Mehrheit gefunden haben? - Aber selbst die streiten die Sache ab. Das Landratsamt ist es auf gar keinen Fall, Berg nie und nimmer. Bleibt eigentlich nur: niemand?

Das Gesetz besagt: „Auch bei Anrufen zu Marktforschungszwecken überwiegt das Interesse des einzelnen Betroffenen, ein Eindringen in seine Privatsphäre zu verhindern, gegenüber den Interessen des Marktforschungsunternehmens.“

Egal, wie das Ergebnis ausfällt: "Repräsentativ" sind solche Telefonumfragen übrigens nie: Da sie "... mit bestimmten soziodemographischen Kriterien korrelieren, ist dadurch die Repräsentativität der Stichprobe nicht mehr gewährleistet. Die Forderung, dass jedes Element der Grundgesamtheit mit derselben Wahrscheinlichkeit in die Stichprobe gelangen muss, ist nicht mehr eingehalten." (sorry, nochmal Wikipedia, ging auf die Schnelle nicht anders)

Ich persönlich bin übrigens gegen die Umgehung der Demokratie durch Marktforschungsinstitute. Ich bin dagegen, in meinem privaten Wohnzimmer zu später Stunde angerufen zu werden und von wildfremden Menschen, die freundlich tun und von der Sache nun wirklich keine Ahnung haben, meine schnelle Meinung zu komplexen Problemen abgefragt zu bekommen. - Aber danach wurde leider nicht gefragt.

Wir fragen jetzt Sie? Sind Sie für oder gegen eine solche Telefon-Befragung?
ammer - 2015/02/11 19:14

ich bin ...

… ganz klar für Bürgerentscheide! Der Gesetzgeber hat auch die Voraussetzungen für einen solchen Entscheid relativ niedrig angesetzt: es genügt, wenn sich nur 10% der Wahlberechtigten relativ formlos in eine Unterschriftenliste eintragen. (Sie müssen nicht einmal - wie zum Beispiel vor fast genau 9 Jahren bei der Zulassung der QUH - persönlich mit Ausweis zu Dienstzeiten im Rathaus erscheinen). - In Berg wollte der Bürger aber offenbar nicht: von ca. 6300 Wahlberechnigten hatten sich 222 (nicht einmal alle aus Berg) in die diesbezüglichen Listen eingetragen. Das sind nur gute 3%.

Ich bin ganz klar dagegen, dass Verlierer in einem demokratischen Prozess zu solchen Mitteln greifen. Telefonumfragen ersetzen keine Demokratie.

gast - 2015/02/12 08:41

Stimmt.

Ich bin auch klar gegen eine derartige Umfrage (obwohl ich ebenfalls gegen den Windpark bin).

Ich glaube nicht, dass diese Umfrage vom Verein zum Schutz der Wadlhauser Gräben in Auftrag gegeben wurde. Ganz einfach deshalb, weil eine derartige Telefonumfrage von niemandem als seriös angesehen würde. Somit könnte eine derartige Telefonumfrage nichts, aber auch garnichts bewirken und wäre pure Geldverschwendung ohne jeglichen Gegenwert.

Eine Telefonumfrage macht nur Sinn, wenn jemand unverbindlich mal eine Stimmungslage einholen möchte. Da erscheint es mir viel plausiebler, dass die Windparkplaner inzwischen den einen oder anderen kalten Fuß bekommen haben und sicherheitshalber selbst noch einmal vorsichtig den Rückhalt in der eigenen Bevölkerung abklopfen möchten.

Dass das o. g. Bürgerbegehren nur 1/3 der benötigten Stimmen erreicht hat und somit die Durchführung eines Bürgerentscheids nicht möglich war, lag m. E. nicht daran, dass es zu wenige Gegner gegeben hat, sondern daran, dass man sich mit vollem Namen und Adresse in eine öffentlich einsehbare Liste eintragen mußte, die das klare Ziel hatte, den Windpark zu verhindern.

In einer kleinen Gemeinde, in der so gut wie jeder jeden kennt, kann ein öffentliches Bekenntnis mitunter ziemlich problematisch sein. Händler, Handwerker, Bauern, Ärzte, Betreiber von Hotels, Kneipen und Gaststätten etc. würden möglicherweise nach Bekanntwerden ihrer persönlichen Einstellung zu diesem Projekt einen Teil Ihrer Kunden verlieren, Nachbarn würden sich ggf. gegenseitig schief anschauen. Leute würden Tratschen und Grüchte würden möglicherweise entstehen. Derartigen Auswirkungen wollen sich wohl nur die wenigsten aussetzen und so unterschreibt man im Zweifelsfall dann eben lieber doch nicht. Zudem wurde diese Aktion damals von zwei Privatpersonen gestartet, die kein großes Forum hatten. Da auch die Gemeinde (logischerweise) an einer Abstimmung für oder gegen den Windpark in keinster Weise interessiert war, waren die Initiatoren damals auf reine "Mundpropaganda" angewiesen.

Hätte die Gemeinde von sich aus eine anonyme Umfrage gestartet, wäre die Beteiligung sicherlich wesentlich höher ausgefallen. Über das Ergebnis möchte ich an dieser Stelle nicht spekulieren, die Gemeinde wird aber schon gewußt haben, warum sie keine Umfrage gestartet hat...
gast - 2015/02/12 09:36

Der bessere Weg...

Wenn Herr Ammer für Bürgerbegehren ist und Gast hier recht hat, dass es sehr schwer ist, Unterschriftenlisten in einer kleinen Gemeinde zu füllen (In MÜnchen wären ja 3% für ein Bürgebegehren ausreichend), dann ist der demokratischte Weg der, der in Inning eingeschlagen wurden: Ein Ratsbegehren.
ammer - 2015/02/12 12:21

Abschließend zum Ratsbegehren

Anders als in Inning laufen die Planungen für die Berger Windkraftanlagen schon lange. Sie wurden vom alten Gemeinderat einstimmig vorangetrieben. Der "höchste" Windkraftbefürworter, Bürgermeister Monn, unter dessen Ägide die Windräder gebaut werden, wurde bei seiner Wahl mit großer Mehrheit wiedergewählt. Die QUH, die immer für Windkraft eingetreten ist (und für eine größtmögliche Diskussion darüber), hat bei der letzten Gemeinderatswahl als einzige deutlich zugelegt. Der Gemeinderat, der die Planungen vorangetrieben hat, wurde im letzten Jahr fast identisch wiedergewählt. Am meisten persönlichen Stimmen bekamen Andi Hlavaty (CSU) und Elke Link (QUH), die heutigen Stellvertreter des Bürgermeisters, beide bekennende Windkraftbefürworter. Die Windräder waren auch Wahlkampfthema. Die beiden einzig neu gewählten Gemeinderatsmitglieder (Sissi Fuchsenberger, SPD & Julia Galloth, Grün) treten ebenfalls immer schon offen für Windkraft ein. - Ich bin der Meinung, dass sich in einer solch eindeutigenen Wahl durchaus ein Wählerwillen ausdrückt. Der Wähler wollte offenbar keine Korrektur der Politik. Das völlige Scheitern des Bürgerbegehrens (das die QUH ja sogar publizistisch unterstützt hat) ist ein weiteres deutliches Zeichen.

Und zu Gast No. 1: Wenn der Wähler etwas will, kann er sich durchaus bemerkbar machen. Wir wissen das aus eigener Erfahrung: Gibt es die QUH doch nur, weil sich gut 200 Berger nicht nur mit Namen und Unterschrift, sondern sogar mit Gesicht und Ausweis auf die Gemeinde getraut haben, um dort für unsere kleine Partei - die von ihren ersten Manifesten an für erneuerbare Energien eingetreten ist - zu unterschreiben. http://quh.twoday.net/stories/2515870/
gast - 2015/02/12 13:05

@Herr Ammer

Hallo Herr Ammer,

bitte nicht schon wieder eine Ihrer berühmten Nebelkerzen. Die Unterschriften zur Gründung einer neuen Partei stehen doch in keinem Zusammenhang bzw. Verhältnis dazu, sich in einem kleinen Ort offen gegen die Planung der Gemeinde bzw. des Landkreises zu stellen.

Nicht zuletzt konnte man ja alleine an einigen Äußerungen hier im Blog erkennen, wie Windpark-Gegner selbst von offizieller Seite tituliert werden.
ammer - 2015/02/12 13:13

@Gast

Lieber Gast ich bewundere einfach ihren Mut, mit ihrem Namen und ihrer Person für ihre Meinung und ihre Unterstellungen einzugestehen. So zeigen sich rechte Demokraten.
bonanzaMARGOT - 2015/02/12 16:15

verbieten ist blödsinn. einfach auflegen.

quh - 2015/02/12 16:27

Kommentare verschoben

unsere geneigten Leser "Energievernunft" und "MBE" sind ja bekannt dafür, dass sie jeden Artikel jeden Themas nur mit Polemik gegen die Windkraft kommentieren. Wir haben ihre Kommentare - ein letztes Mal - an eine dazu gehörige Stelle verschoben. In Zukunft werden wir Kommentare, die sich nicht an die Netiquette halten und Kommentare verfassen, die nicht zum Thema des Artikels passen (hier die anonyme Telefonumfrage), kommmentarlos löschen.

QUH-Gast - 2015/02/14 12:29

Telefonumfrage

Auch wir sind angerufen worden.

Ja, es ist seltsam, dass jemand eine Telefonumfrage in Auftrag gibt, um ein Meinungsbild der Einwohner der Gemeinde Berg erstellen zu lassen.

Man kann es aber auch anders sehen: Es ist bedenklich, dass der Gemeinderat fast unisono für die Riesenräder gestimmt hat ohne sich öffentlich kritisch mit den Argumenten der Gegner auseinanderzusetzen und diese Argumentation mit Fakten zu dokumentieren. Keine belastbaren Zahlen (auf der Gemeindeseite andere Zahlen als beim Vortrag), keine öffentlichen Gutachten, Verhandlungen im geheimen Teil der Gemeinderatssitzungen, Verunglimpfungen der Argumente der Gegner etc etc.

Ich weiss, das "mein" von mir mitgewählter Gemeinderat demokratisch für mich die Entscheidungen getroffen hat. Trotzdem bin ich - wie sehr viele andere auch - aus verschiedenen Grüdnen gegen die Windräder. Deshalb habe ich das auch gerne dem Herrn am Telefon bestätigt.

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