Hanns Johst, Präsident der Reichsschrifttumskammer - Allmannshausen

Für die Nazis war er der größte Dramatiker. Hanns Johst (1890-1978), SS-Gruppenführer und Präsident der Reichsschrifttumskammer, zählte für die Nazis zu einer privilegierten Gruppe "gottbegnadeter" Künstler. Er setzte die mit der Bücherverbrennung begonnenen Verfolgung deutscher Schriftsteller fort. Nach dem Ende von Nazi-Deutschland veröffentlichte er unter dem Pseudonym "Odemar Oderich" lächerliche Gedichte für die Edeka-Zeitschrift "Die kluge Hausfrau". Nazi blieb er. Die andere Konstante in seinem Leben: Er hat es in Allmannshausen verbracht, wo er sich 1915 niedergelassen hatte. Dort hat der Name Johst bis heute einen "klangvollen" Namen. Wie kam es dazu?

... Der Allmannshauser Hanns Johst (r.) schenkt Joseph Goebbels ein Buch


Die Johst-Villa am Zieglerweg in Allmannshausen wurde 1936 erbaut

1933 veröffentlicht Hanns Johst, ursprünglich ein mit Brecht bekannter expressionistischer Dichter, hier in seiner schwarzen SS-Uniform, das Drama "Schlageter". Johst widmet das Stück "In liebender Verehrung und unwandelbarer Treue" Adolf Hitler, an dessen Geburtstag es in Berlin triumphal uraufgeführt wird.

Es endet mit der Erschießung des zum Märtyrer stilisierten Saboteurs Schlageter, der zum "ersten Soldaten des Dritten Reiches" wird. Das Stück wird wird ein ungeheurer Erfolg und in über 1000 Städten des Reiches gespielt. Bis heute ist der Satz „Wenn ich Kultur höre … entsichere ich meinen Browning“ aus dem 1. Satz dieses Dramas, den sich zuerst Joseph Goebbels aneignete, ein geflügeltes Wort.

Hanns Johst, ein enger Freund des SS-Reichsführers Heinrich Himmler, wird daraufhin 1935 Präsident der Reichsschrifttumskammer. Es zählt zu seinen Aufgaben "das deutsche Kulturleben von allem schädlichen und unerwünschten Schrifttum rein zu halten". Dazu machte Johst auch praktische Vorschläge: "Könnte man nicht vielleicht Herrn Thomas Mann, München, für seinen Sohn ein wenig inhaftieren? Seine geistige Produktion würde ja durch eine Herbstfrische in Dachau nicht leiden.", schrieb er an den "Lieben Heini'", Heinrich Himmler, einen der Hauptverantwortlichen des Holocaust.

Auch einen ihm unliebsamen "frechen Volljuden" aus Seeshaupt bat Johst "mit jähem Finger" zu behandeln. Von Himmler wurde Johst als persönlicher Chronist des Reiches ausgewählt und gar in die Pläne zur Judenvernichtung eingeweiht. Von der so geplanten „Saga des Großgermanischen Reichs“ erschien nur eine kleine Vorstudie: "Ruf des Reiches – Echo des Volkes! Eine Ostfahrt".

Hanns Johst blieb auch nach dem Krieg in seiner Allmannshauser Villa und schaffte es sogar, zunächst als "Mitläufer" klassifiziert zu werden. Auch wenn das Gericht ihn letztendlich zumindest als "Belasteten" einstufte, galt er ab 1955 nach langen Prozessen faktisch als rehabilitiert. Von der Nazi-Ideologie hat er sich dennoch nie wirklich distanziert. Noch Ende der 50iger Jahre notiert Johst, der nunmehr verbitterte Hausautor von "Die kluge Hausfrau" Unfassbares:

"Da sitzt also eines Tages einem eine bewährte Freundin gegenüber und fragt mit runden Augen wie man zu den Morden von SS Männern stehe. Ohne Konvention sänke einem der Unterkiefer auf das Chemisette. Die einzige Gegenfrage könnte lauten: wie denken sie über Kinder die Stubenfliegen Beine ausreissen?"

In Berg spricht man den Namen Johst hingegen durchaus auch mit positiven Konnotationen aus: In Allmannshausen ist man dankbar, das die Tochter Krista den sogenannten "Johst-Garten" der Gemeinde langfristig zur kommunalen Nutzung überlassen hat (die Feuerwehr feiert dort gerne, die Kinder kicken). Und im Archiv der Gemeinde stehen Bücher von Hanns Johst grausigerweise gar neben denen von Oskar Maria Graf.

Exponat im Keller des Berger Rathauses: Nazi-Johst neben Oskar Maria Graf

Der Osnabrücker Professor Rolf Düsterberg ist weltweit der führende Experte für das "Werk" und Wirken von Hanns Johst. Von ihm stammt das glänzend recherchierte Buch "Hanns Johst - der Barde der SS", das das verhängnisvolle Wirken von Johst in Nazi-Deutschland klar nachzeichnet. Es ist eine Schande, dass es 10 Jahre dauerte, bis dieser Forscher endlich nach Berg eingeladen wurde, und es ist dem Berger Kulturverein bzw der Initiative von Susanne Polewsky zu danken, dass es jetzt endlich geschieht: Am Freitag, dem 13. März tritt Rolf Düsterberg im Rittersaal von Schloss Kempfenhausen auf, um über Hanns Johst zu sprechen (20 Uhr). Eine dringend nötige Aufklärung!

Zur Vorbereitung lohnt ein kundiger Artikel von Rolf Düsterberg aus der Zeit: http://www.zeit.de/2004/12/A-Johst oder eine Kurz-Biographie: http://www.polunbi.de/pers/johst-01.html

Johsts neuer Nachbar, Michael Krüger, hat ein Gedicht über ihn und sich geschrieben: http://quh.twoday.net/stories/der-schreibtisch-in-allmannshausen-michel-krueger-wird-70/
boshkow - 2015/03/07 12:20

Muß das sein?

Das ist schon stark.
Da wandelt doch der Kulturverein fast weihevoll auf den Spuren eines Komplettnazis und adelt ihn damit auch noch posthum.
Da komme ich nicht mehr mit.
Die meisten dieser "wackeren" Männer sind dem Vergessen anheim gefallen, und das ist auch gut so.
Warum verneigt sich Berg und sein Kulturverein förmlich vor "seinem" Nazi? Wird das jetzt Tradition?
Wie ich gehört habe, hat Berg da in seiner Vergangenheit einige dieser "Größen" aufzubieten... Werden die jetzt alle nach und nach wieder ans Licht gezerrt und deren "Verdienste" gewürdigt?
Das kann ja lustig werden.

quh - 2015/03/07 13:58

im Gegenteil

Hallo M., das Gegenteil ist doch der Fall, man sollte die Vergangenheit doch kennen und an das Grauen erinnern. Hier will sich sicher niemand "verneigen" … sondern darüber aufklären, welche Verbrechen auch von einem Dorf wie unserem ausgegangen sind.

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